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ALTERED STATES Page 10


  Er wandte sich ab und stampfte ins Wohnzimmer.

  Emily blieb in der Küche, schlug die Beine übereinander, trank ihren Kaffee und runzelte nachdenklich die Stirn.

  Plötzlich kam Jessup zurück, blieb im Türrahmen stehen und schrie: »Weshalb, zum Teufel, sollte ich ins Krankenhaus gehen? Denkst du, ich will, dass die ganze Bande von Brigham ihre Nase in diese Sache steckt? Du lieber Himmel! Wir sind nicht die einzigen Leute, die das Bewusstsein und die Verwandlung von Materie untersuchen! Denk nur an Lowenstein an der University of California, der gerade aus Szent-Gyorgyis Gruppe ausgeschieden ist; er versucht, die Materie biogenetisch zu verändern. Dann dieser Kerl am Kings-Cambridge, der Northrops Kram weitergeführt hat, Veränderung der Materie durch wechselnde Ladungspotentiale. Wenn der jemals davon Wind kriegt, dass wir durch Manipulation des Bewusstseins genetische Veränderungen bewirkt haben, lieber Himmel, dieser Schweinehund hätte sein Zeug in allen wissenschaftlichen Zeitschriften, bevor ich, auch nur an der Schreibmaschine sitze. Großer Gott, Emily, ich hab' einfach nicht das Geld und die Möglichkeiten für ein Wettrennen mit all diesen Kerlen von Michigan und Stanford mit ihren fetten Forschungsbeihilfen; wir würden bald um Jahre zurück sein! Ihre Nobelpreise wären schon Antiquitäten, bevor wir auch nur anfangen können. Mensch, wir wissen ja noch nicht mal, was wir eigentlich schon haben! Da geht man doch nicht zu jedem Wissenschaftler in Boston und erzählt ihm alles brühwarm! Die klauen das doch, die klauen das! Ich bring diesen Mistkerl um, wenn ich ihn das nächste Mal sehe! Was hat er dir noch geschrieben? Was hat er dir noch über meine genetische Regression vor drei Monaten gesagt?«

  Sie sagte lieber nichts; jedes Wort würde jetzt einen neuen Ausbruch heraufbeschwören. Einen Augenblick herrschte dumpfes Schweigen; dann stand sie auf und ging zur Tür. Jessup stöberte in dem Haufen von Tonbandkassetten neben dem Verandafenster herum und versuchte, die Beschriftungen in dem Zwielicht zu entziffern. Draußen wurde es jetzt rasch dunkler. Das Wohnzimmer war nur von einer Stehlampe mit orangefarbenem Schirm erleuchtet, und Jessup stand ganz im Schatten. Er stand vornübergebeugt und schaute auf das Etikett einer Filmdose - eine Silhouette in grauem Skipullover und verbeulter Drillichhose. Er blickte zu ihr auf, in seinen Augen sammelte sich das gelbe Licht der Lampe.

  »Auf welchem Band sind die Pavianlaute?«, fragte er. »Ich möchte sie gern mal hören.«

  »Weshalb?«

  Er lächelte. »Wir könnten sogar deinen sachverständigen Rat brauchen. Hat Mason dir nicht geschrieben, dass meine Regression mit einer vierstündigen Aphasie verbunden war? Völlig unerklärlich. Für vier Stunden war mein Sprechmechanismus auf irgendeiner primitiven, vielleicht sogar auf einer affenähnlichen Stufe: Am Ende dieser vier Stunden war ich vollkommen wiederhergestellt. Du hast doch vergleichende Anatomie gemacht. Kannst du Röntgenbilder lesen?«

  »Ja, sogar ziemlich gut.«

  »Wir haben eine ganze Reihe von Aufnahmen gemacht, zweimal sogar. Der Musculus geniohyoideus ist kräftig angeschwollen. Der Rachenraum ist wie abgeschlossen. Die digastrischen Muskeln sind mit dem Zungenbein verwachsen, so ist das doch bei den Affen, oder? Mason hat die Bilder einem Radiologen gezeigt. Der dachte, sie wären von einem Gorilla. Während der Aphasie konnte ich nur schnalzen und grunzen. Ich habe das dumpfe Gefühl, dass die Pavianlaute auf deinen Bändern ganz ähnlich klingen. Deshalb möchte ich sie mir anhören.«

  »Hast du deine eigenen Laute auf Band?«

  »Ja.«

  »Das würde ich gern mal hören.«

  »Verstehst du eigentlich, was ich dir zu sagen versuche?«

  »Ja, durchaus. Du willst mir sagen, dass du vor drei Monaten genetisch in ein affenähnliches Stadium regrediert bist. Mason sagt, dass sie dir in diesen vier Stunden Blutproben abgenommen haben und dass die Labors von Sarich und Goodman übereinstimmend berichteten, das Immunsystem der Zellen habe charakteristische Eigenschaften von VAB- und CEP-Blutgruppensystemen aufgewiesen.«

  »Andererseits haben sie aber auch XG-Antigene gefunden, die nur beim Menschen vorkommen.«

  »Diese Ergebnisse möchte ich mir ansehen.«

  »Ja, das wäre mir lieb. Wir haben auch die üblichen Untersuchungen gemacht. Die Seren und das Blutbild waren normal. Die Zahl der weißen Blutkörperchen war etwas abweichend, es gab ein paar übersegmentierte Kerne in den polymorphkernigen Leukozyten, außerdem leichte Geldrollenbildung und einen allgemeinen Anstieg der miotischen Aktivität. Wir haben auch einen Mundabstrich gemacht. Die Chromosomenauszählung ergab achtundvierzig - «

  »Im Ernst? Das ist ja anders als beim Menschen.«

  » - und sie waren dreiundsechzig Prozent Chromatin-positiv. Auch die Struktur des Karyogramms war nicht-menschlich.«

  Sie starrten sich über das Zimmer hinweg an. Margaret kam in ihren Jeans hereingeschlendert und umschlang die Knie ihres Vaters. Jessup streichelte abwesend ihren Blondschopf.

  »Ich bin nicht verrückt, Emily«, sagte er. »Ich weiß, dass Mason das denkt und Arthur wahrscheinlich auch, und ich habe weiß Gott in letzter Zeit oft genug gehört, dass bei mir wohl eine Schraube locker sein muss - sogar Dean Medich hat mich in sein Büro gerufen und gefragt, was ich denn da für Blödsinn veröffentliche - «

  »Wann war denn das? Wie um alles in der Welt ist denn Dean Medich auf diese Geschichte gekommen? Mein Gott, du hast doch nicht etwa dem Dekan etwas erzählt!«

  »Na ja, ich hab' es halt aufgeschrieben.«

  »Was meinst du mit aufgeschrieben?«

  »Ich habe es für die Proceedings of the National Academy of Science aufgeschrieben. Parrish, dieser Idiot, ist überall herumgerannt und hat alles ausgeplaudert, da hab' ich es lieber veröffentlicht, bevor mir jemand zuvorkommt. Ich wollte einfach, dass es irgendwo festgehalten wurde. Jetzt tut es mir schon leid. Es war wirklich zu früh. Aber Parrish hat da diesen Kumpel, einen Molekularbiologen vom MIT, und dem hat er all unsere harten Fakten anvertraut; im Nu war ein weiterer Radiologe dabei und noch zwei andere Typen. Die Sache war nicht mehr zu kontrollieren, ich musste unser Material veröffentlichen. Ich hab' keine großartige Sache daraus gemacht, einfach nur unsere Untersuchungsdaten und eine Analyse der Drogenmischung. Ich hab' auch gar nicht damit gerechnet, dass irgendwer sich dafür interessiert, es ist alles so unglaublich und abgelegen.«

  »Unglaublich! Du veröffentlichst einen Bericht, in dem es heißt, dass du eine geheimnisvolle Flüssigkeit getrunken und dich dann in einen Affen verwandelt hast! Herr im Himmel, Eddie! Du wirst für eine der größten Leuchten der Physiologie angesehen! Du hast dich lächerlich gemacht!«

  »Schau, Emily, es hat einen Fall von Regression gegeben, wirkliche, körperliche Regression: Muskeln, Knochen, Chromosomen und Gene. Wir haben eine Handvoll Tatsachen, die sich in das Bild von Leukämie oder Lymphom einfach nicht einfügen. Denn wie willst du erklären, dass ich vier Stunden später vollständig wiederhergestellt war? Jede Blutuntersuchung, jeder einzelne von den Tests, die Mason sich ausgedacht hat, zeigt mich als vollkommen normal, jeder Muskel, jeder Knochen, alle Chromosomen und Gene sind wieder an ihrem richtigen Platz. Vier Stunden lang hatte ich körperliche Merkmale eines Menschenaffen. Am nächsten Tag war ich absolut normal. Das heißt, wir reden eigentlich gar nicht über Regression. Ich bin nicht mal sicher, ob wir über Veränderung von Materie sprechen. Es gab eine Umwandlung der biologischen Struktur, soviel ist sicher. Aber darüber hinaus wissen wir eigentlich gar nichts. Es gibt keine Möglichkeit, dieses Phänomen anhand der biologischen Zeit zu erklären. Irgendwie haben wir die Zeitschranken dabei durchbrochen. Das hier ist eine Quantengeschichte. Wir sind im luftleeren Raum. Wir sind auf etwas absolut Einmaliges gestoßen, auf einen physikalischen Vorgang, der sich zu keiner bekannten Theorie in Beziehung setzen lässt. Wie ein schwarzes Loch.«

  Seine Erregung wuchs wieder. »Sieh mal, ganz physiologisch betrachtet habe ich nicht das Geringste gegen die Theorie, dass die Droge Veränderungen in der DNA auslöst, vielleicht durch die Kodonen. Die Grundstruktur ist hinsichtlich der Nukleotiden gleich. Die Veränderung liegt im Ablesen der relativen Sequenz. Durch irgendwas sind ein paar ganz alte Gene wachgerufen worde
n. Vielleicht sind die strukturellen Gene zu funktionellen geworden und die Regulatoren zu Repressoren. Auch jede Umkehrung dieses Satzes ist denkbar. Ich wette, dass die Basen meiner DNA-Stränge geflackert haben wie ein Flipper.«

  Seine Tochter zupfte ihn am Hosenbein.

  Er nahm sie auf und drückte sie an sich. »Alle denken, dein Vater dreht durch«, flüsterte er ihr ins Haar. Er begann, nervös im Zimmer umherzugehen, hielt dabei das Kind auf dem Arm und sprach in abgehackten Sätzen wie außer Atem weiter.

  »Mason sagt dagegen, dass DNA-Veränderungen erst bei den Nachkommen wirksam und äußerlich sichtbar werden, aber beim ersten Bluttest gab es eine Menge interzellulärer Aktivität. Das beweist natürlich nichts, aber es schließt eine Gen-Mutation keineswegs aus. Arthur meint, dass die Schablonen vorübergehend geändert werden. Was für Schablonen? Die Eiweißschablonen. Na gut, meinetwegen, aber was war der Auslöser?« Seine Stimme wurde immer lauter. »Herrgott noch mal, es ist doch wohl klar, dass es keine andere Möglichkeit gibt, als noch mal in den Tank zu gehen und auszuprobieren, ob es wieder passiert. Keiner von uns glaubt doch wirklich, dass es passiert ist! Nach diesen drei Monaten fange ich schon selbst an zu zweifeln! Aber nichts da! Die gehen einfach nicht in den Tank zurück! Die brauchen ihre ganze Zeit dazu, Rattengehirne auseinanderzunehmen! Und was zum Teufel soll ich inzwischen machen? Also hab' ich mich mit Mitgang zusammen getan, um an eine Patientengruppe aus seiner Klinik heranzukommen. Ich musste einfach wissen, ob diese verdammte Droge beim Menschen auch allein zu Regressionen führt. Seit fünf Wochen injiziere ich jetzt zwölf Schizophrenen dieses Zeug, und es ist noch kein einziger Fall von Regression vorgekommen! Ich bin überzeugt, dass die Regression durch einen Bewusstseinsakt ausgelöst wird! Als ich im Tank war, bin ich in ein anderes Bewusstsein vorgedrungen! Ich hatte ein anderes Selbst! Ein primitiveres Selbst! Und die Droge hat irgendwie die Externalisation dieses primitiveren Selbst ausgelöst!«

  Seine Tochter begann zu weinen.

  »Setz sie runter, Eddie«, sagte Emily, »du machst ihr Angst.«

  Jessup setzte seine Tochter sanft auf den Boden. Emily nahm das verschreckte Kind auf. Als sie ihren Mann wieder ansah, saß er in dem Sessel unter der Lampe, die Augen geschlossen, das Gesicht wie eine Maske.

  »Sieh dir meine Sachen wenigstens an«, murmelte er.

  »Aber natürlich, Eddie. Vielleicht morgen Nachmittag. Wär's dir morgen Nachmittag recht?«

  »Sprich nicht mit mir wie mit einem Schwachsinnigen«, sagte er.

  »Aber ich - «

  Er sprang auf und schrie: »Es könnte nämlich auch sein, dass ich nicht verrückt bin, verstehst du! Ich verlange doch nicht mehr, als dass du einen kleinen Quantensprung mitmachst! Dass du eine abweichende Vorstellung probeweise akzeptierst: nämlich dass unsere anderen Bewusstseinszustände genauso wirklich sind wie unser Wachzustand, und dass diese Wirklichkeit sich externalisieren kann!«

  »Du brüllst.«

  »Ich weiß! Aber ich höre diese herablassende Klugscheißerei von Arthur und Mason nun schon seit drei Monaten, und jetzt hab' ich's satt! Ihr hängt alle so an euren Raum-Zeit-Begriffen! Die Möglichkeit, dass eine zehn Millionen Jahre alte Substanz körperliche Form annehmen kann, scheint euch zu erschrecken. Ihr müsst euch aus dem Kopf schlagen, dass Raum und Zeit unveränderlich sind. Sie sind es nicht! Sie sind nicht etwas an sich Bestehendes! Sie sind Postulate des bewussten Denkens! Sie sind Eigenschaften bewegter Körper, intellektuelle Begriffe, notwendig einzig und allein für die Messverfahren der mechanistischen Physik. In der Mathematik gibt es weder Raum noch Zeit. Die Atomphysik und der intergalaktische Raum kennen keine Zeit. Im äußeren Weltraum gibt es keinen Unterschied zwischen einem Sekundenbruchteil und Milliarden Jahren! Weshalb sollte es in unserem inneren Raum anders sein? Abermillionen Jahre sind in dem Computer gespeichert, den wir unseren Geist nennen! Wir haben Trillionen von schlafenden Genen in uns, unsere ganze evolutionäre Vergangenheit. Vielleicht habe ich daran gerührt. Lieber Gott, ich sage doch nichts weiter, als dass ich noch mal in den Tank und das Experiment wiederholen will! Bestätigen! Verifizieren! Ich möchte, dass ein paar andere Wissenschaftler dabei sind, ich möchte die Sache gemeinsam mit anderen beurteilen. Und wenn es wahr ist, weißt du, was das bedeuten würde? Dann hätten wir alle Grenzen herkömmlicher Wissenschaft gesprengt! Wir könnten eine ganz neue Energieform demonstriert haben. Es gibt ein paar Physiker, die ihr ganzes Leben lang zu demonstrieren versucht haben, dass der Körper vom Bewusstsein her beeinflusst werden kann. Vielleicht ist mir genau das gelungen! Wie, das weiß ich nicht! Warum, weiß ich auch nicht! Aber, verdammt noch mal, findest du nicht auch, dass das weiter untersucht werden muss? Wir sprechen doch hier möglicherweise über einen Durchbruch, den man mit Newton, Darwin, Einstein vergleichen kann!«

  Er setzte sich wieder hin, schlug die Beine übereinander und faltete die Hände im Schoß. In dem orangenen Licht der Lampe, das über sein Gesicht fiel, wirkte er jetzt ruhig, aber vollkommen wahnsinnig.

  »Ich muss wohl nicht betonen, dass du mit niemandem darüber sprechen darfst«, sagte er. »Wissenschaftler sind ein neugieriges Volk. Wissenschaft wirft nicht viel Geld ab und kaum Ruhm. Aber es gibt da viel Prahlerei und eine mörderische Gier nach Unsterblichkeit. Es gibt Wissenschaftler, die würden jeden Meineid leisten, Zeugen bestechen, betrügen, stehlen, lügen und sogar morden, um in den Büchern genannt zu werden oder in ihrem Frack in Stockholm auf dem Podium zu stehen und würdevoll den

  Nobelpreis in Empfang zu nehmen. Ich wäre dir also dankbar, wenn du keinem etwas sagen würdest. Ich habe alle Bänder, Aufzeichnungen und so weiter bei mir zu Hause. Wann willst du denn morgen vorbeikommen und dir die Sachen ansehen?«

  »Zwei, halb drei?« Sie lächelte nervös. »Ich will nur eben Grace holen«, sagte sie. »Bin gleich wieder da.«

  Mit Margaret auf dem Arm verschwand sie in dem dunklen Hausflur und trat vor die Tür. Es war fast Nacht geworden, aber sie sah Grace gleich vor einem Nachbarhaus im Gespräch mit einer Frau, die einen kleinen Jungen hatte. Sie wollte schon rufen, beschloss dann aber, selbst hinüberzugehen. Sie stellte Margaret auf die Erde und ging mit ihr auf die kleine Gruppe vor dem Nachbarhaus zu.

  Die Frau lächelte ihr entgegen. »Ich bin Linda Sandys. Ich wohne da drüben in dem Haus.« Sie zeigte auf ein graues Holzhaus etwas weiter unten auf der anderen Straßenseite.

  »Ich bin Emily Jessup«, sagte Emily.

  »Und Sie sind gerade erst aus Afrika zurück«, sagte die Frau. »Ich unterhalte mich gerade mit Grace, und sie erzählt mir alles von der Reise. Mein Mann ist Romanist.«

  »Ich bin Anthropologin«, sagte Emily. Ihr Körper war gespannt und wie in ein Korsett eingezwängt.

  »Ja, das hat Grace mir erzählt«, lächelte Mrs. Sandys. »Wollen Sie nicht mit zu mir kommen und einen Kaffee trinken?«

  »Wirklich gern, Mrs. Sandys«, sagte Emily, »aber ich hab' zu Hause einen hungrigen Mann.« Sie schloss die Kinder in die Arme. »Wir wollen chinesisch essen gehen«, log sie.

  Sofort riss Margaret sich los und machte sich eilig auf den Heimweg, Grace hinter ihr drein. Emily wollte ihnen nach. »Wir sind noch beim Auspacken«, sagte sie.

  »Natürlich«, lächelte Mrs. Sandys wieder.

  »Wenn ich darf, möchte ich gern morgen auf den Kaffee zurückkommen«, sagte Emily.

  »Ja, gern. Drüben - das graue Haus.«

  »Vielen Dank und gute Nacht«, sagte Emily und ging schnell hinter den Kindern her.

  Als sie das Haus erreichte, standen die beiden Mädchen im Eingangsvorbau. Ihr Herz schlug heftig vor Angst. »Ist mit eurem Vater alles in Ordnung?«, fragte sie.

  »Wo ist er denn?«, fragte Grace.

  Emily betrat den jetzt fast schwarzen Flur und machte Licht.

  Die Wohnzimmertür stand offen, und sie konnte sehen, dass der Sessel leer war. Sie wusste sofort, dass er gegangen war, trat aber doch ins Zimmer und rief: »Eddie?« Sie wollte noch in der Küche nachsehen, ging aber dann zum Telefon, das unter einem Haufen von Kleidungsstücken auf einem niedrigen Bücherregal stand, und wählte Mason Parrishs Nummer. Niemand nahm ab. Die beide
n Mädchen kamen ins Zimmer getrottet.

  »Wo ist er?«, fragte Grace.

  »Ich weiß auch nicht«, sagte Emily. »Ich glaube, er hatte eine Verabredung.«

  Sie wählte Arthur Rosenbergs Nummer.

  Sylvia kam an den Apparat.

  »Sylvia, hier ist Emily. Ist Arthur da?... Wann wollte er denn kommen?... Nein, nein, nichts ist los, wir sind immer noch beim Auspacken, ich muss jetzt auflegen, ich ruf dich dann später noch mal an... Ach, hör mal, du weißt nicht zufällig, wo Mason jetzt gerade ist? Ich wollte ihn eben anrufen, aber er war nicht da...« So stand sie da und plauderte, und die Angst saß ihr im Nacken.

  An diesem Abend stellte Edward Jessup seinen Toyota gegen sechs Uhr auf dem Parkplatz des Brigham Hospital ab. Es hatte angefangen zu nieseln. Er nahm Rosenbergs Flugzeugtasche aus dem Wagen, überquerte Shattuck Avenue und ging mit hochgezogenen Schultern auf den Gebäudekomplex der Medical School zu. Im Verwaltungsgebäude stieg er eine Treppe zum Untergeschoß hinunter und ging dann durch den Verbindungsgang zum Bau B hinüber. Der leichte Regen draußen hatte die Gänge mit weiß bekittelten Ärzten und ganzen Trauben von Studenten gefüllt. Er schloss den Tankraum auf, ging hinein, knipste die Beleuchtung im Überwachungsraum an, öffnete dann die Verbindungstür und machte auch im Tankraum Licht.

  Das große Glasfenster schimmerte schwarz. Außer der Porzellanschüssel in der Ecke und dem schwarzen Tank in der Mitte war der Raum leer. Er öffnete den Zulauf, und das Wasser begann in den Tank zu rauschen. Dann stellte er den Thermostat ein, öffnete seine Schultertasche, holte ein Glas mit Magnesiumsulfat heraus und schüttete es in das schäumende Wasser. Er zog sich aus und überprüfte die Wasserhöhe im Tank. In seiner Tasche befand sich noch ein Einmachglas mit einer Flüssigkeit, von der er jetzt vier Kubikzentimeter mit einer Spritze abzog. Er drückte sie in einen Becher, leerte ihn mit einem Zug und ging dann in die Ecke, um die Porzellanschüssel zu holen; dabei schaute er noch einmal nach dem Wasserstand. Er stand mit der Schüssel in der Hand, wartete, bis das Wasser die Marke erreicht hatte, und schloss den Zulauf. An den Tank gelehnt wartete er, und kurz darauf begann er, in die Schüssel zu erbrechen. Nackt, nur noch die Armbanduhr am Handgelenk, ging er in dem Raum umher, bis das Würgen aufhörte. Dann stellte er die Schüssel sorgfältig in die Ecke zurück und lehnte den schwarzen Tankdeckel gegen den Tank. Er blickte noch einmal auf die Uhr, nahm einen Schreibblock aus seiner Tasche und notierte: