ALTERED STATES Read online

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  Jessup gewann den Eindruck, dass die ganze Welt des inneren und des veränderten Bewusstseins mit unangemessenen Methoden erforscht wurde. Was auf diesem Gebiet geschah, war alles sehr einseitig und polemisch, Ergebnis der zänkischen sechziger Jahre, getränkt mit Timothy-Leary-Sendungsbewusstsein. Natürlich arbeiteten auch gute Leute auf diesem Gebiet, etwa Tart, Ornstein und Deikman; doch zum größten Teil hatte diese Literatur eher politischen als wissenschaftlichen Charakter und war vorwiegend darauf aus, Jensen und die Behavioristen und die ganze westliche Wissenschaft anzugreifen und die Überlegenheit des Irrationalen und Intuitiven über das Rationale und Messbare zu betonen. Was es jetzt zu entwickeln galt, so dachte Jessup, war eine Methodologie, mit deren Hilfe man veränderte Bewusstseinszustände unter kontrollierten Bedingungen untersuchen konnte, und der lsolations-Tank schien für diesen Zweck das geeignetste Mittel zu sein. Anders als bei den psychotropen Drogen bleiben hier die bewussten Willenskräfte erhalten. Die Tankerfahrung lässt sich durch die Versuchsperson selbst oder durch den Leiter des Experiments kontrollieren oder sogar programmieren. Man kann tatsächlich selbst entscheiden, in welchen Bereich des inneren Raums man gelangen möchte. Und ganz im Gegensatz zur Hypnose bleibt der Proband bei vollem Bewusstsein. Daher ging Jessup 1966 mit Rosenberg ans Cornell Medical College in New York, weil es dort im Untergeschoß einen Isolationstank gab.

  An jedem Mittwochabend gingen er und Rosenberg abwechselnd in den Tank; mittlerweile waren sie schon Profis auf dem Gebiet. Sie hatten ein halbes Dutzend Tanktrips ausgearbeitet, in die sich jeder von ihnen jederzeit hinein programmieren konnte.

  »Was sind das für Programme?«, fragte Emily.

  »Also, einen Trip haben wir dabei, der ist so eine Art ontogenetische Entwicklungsumkehr. Man programmiert sich in den Mutterschoß zurück und noch weiter bis zur ersten befruchteten Zelle. Dann erlebt man die Explosion der eigenen Geburt noch einmal. Man legt sozusagen eine Schicht des eigenen Selbst nach der anderen frei, bis hin zur Ursprungszelle. Wir haben beide dieses Experiment schon mehrfach durchgeführt. Hätten Sie vielleicht Lust, ein paar von unseren Bandaufzeichnungen zu hören?«

  »Oh ja, sehr gern.«

  »Ich finde, Sie sollten ruhig auch mal einen Tanktrip wagen.«

  »Großartige Idee.«

  »Wir haben auch einen Trip, der ganz auf Ihrer Linie liegt. Man programmiert sich durch die fallenden Schleier der Zeit hindurch zurück in die fossilen Knochen eines vormenschlichen Wesens, zurück ins Pleistozän. Dann kann man wieder krummbeinig durch die Savannen des vorgeschichtlichen Afrika streifen.« »Phantastisch«, murmelte Emily.

  »Aber das Ganze hat Methode, verstehen Sie. Es hat nichts mit Durchdrehen zu tun. In der ersten halben oder ganzen Stunde ist man damit beschäftigt, eine Art Schwebezustand zu erreichen. Der Körper öffnet und entfaltet sich im Wasser, bis man sich völlig schwerelos fühlt; man empfindet den Körper dann als vom Bewusstsein losgelöst, er wird ein eigenständiges Bewusstsein, das langsam unter die turbulente Ebene des rationalen Bewusstseins absinkt, bis die Stille vollkommen und die Dunkelheit absolut schwarz ist; die Enge zwischen den hölzernen Tankwänden wird raumlos, die Zeit verschwindet, und alles ist eins. Das ist ein Augenblick toter Sammlung, in dem Intelligenz und Willen keine Rolle mehr spielen; dieser Augenblick ist reines Sein. Man ist im tiefsten Theta, das man jemals erreichen kann.«

  »Das ist ja ungeheuer«, sagte Emily.

  Um zwei Uhr früh wurden sie vor die Tür gesetzt. Emily bewohnte zusammen mit einer anderen graduierten Studentin eine Dreizimmerwohnung im dritten Stock eines Sandsteinhauses Ecke 105. und Riverside Drive; dorthin gingen sie.

  Emily hatte kaum die Tür ihres Zimmers hinter sich geschlossen, als sie auch schon übereinander herfielen. Er ging mit der hitzigen Leidenschaft eines Flagellanten auf sie los und stieß mit einer heftigen, fast fanatischen Inbrunst in sie hinein, die irgendwie gar nicht auf sie gerichtet zu sein schien. Sie war auf das linkische Herumfummeln eines verklemmten Gelehrten gefasst gewesen und fand sich stattdessen nun von einem rasenden Mönch harpuniert. Zwischendurch blickte sie einmal zu ihm auf und sah sein weißes, asketisches Gesicht, die Augen weit geöffnet, als empfinge er Gott.

  In einer stillen Minute, während sie sich auf den zerwühlten Laken ausruhten - sie saß an das Kopfteil gelehnt, und er lag ausgestreckt auf dem Bauch -, betrachtete sie sein von Schatten verdunkeltes Gesicht. Selbst ohne seine Brille und mit geschlossenen Augen, beinah schlafend in der Entspannung des abklingenden Rauschs, wirkte er wie ein von eisiger Leidenschaft Getriebener.

  Rosenberg hatte ihr gesagt, er sei ein unglaublich intelligenter Kerl; sie fragte sich, ob das, was sie gerade sah, nicht der Schatten des Genies war.

  »Woran denkst du, wenn wir uns lieben?« fragte sie ihn.

  »An Gott, an Jesus - Kreuzigungen.«

  »Na ja, solange es keine andere Frau ist...«

  »Ich war als Kind sehr religiös«, murmelte er in die Laken. Dann öffnete er die Augen und stützte sich auf einen Ellbogen. »Als ich neun war, hatte ich Visionen; Engel, Heilige, sogar Christus. Er erschien mir auf wunderbare Weise; ich sah ihn mit gläubigen Augen an, wie er da am Kreuz hing, sein Lendentuch vom Blut gefärbt. Ich sprach in Zungen. Und dann war da diese kleine Pentecostal-Kirche im Süden von Yonkers, wo man einen Kultgegenstand aus mir machte. Von überall her kamen die Leute, um dieses neunjährige Kind zu sehen, das Visionen von Gottes Sohn hatte.«

  »Yonkers, kommst du da her?«

  Er drehte sich auf den Rücken. »Meine Mutter wohnt da immer noch. Wir werden sie einmal zusammen besuchen müssen. Sie ist Psychologin. Mein Vater ist tot. Er war Luftfahrtingenieur. Sie waren entschieden antireligiös und natürlich über ihren neunjährigen Sohn, der Visionen hatte und in Zungen sprach, äußerst entsetzt. Sie schleppten mich zu jedem Psychiater in Westchester County. Als ich fünfzehn war, sagte ich zu meinem Vater, ich sei zum Priesteramt berufen und werde mich zum Theologiestudium einschreiben. Ich erwartete, dass er weinen würde. Ich hatte meinen Vater sehr gern. Er starb, als ich sechzehn war.«

  »Wie wird denn aus einem sechzehnjährigen Jungen, der Visionen hat, ein Lehrer für Physiologie an der Cornell Medical School?«

  »Ich hörte auf zu glauben. Das war sehr dramatisch. Mein Vater starb einen, langsamen, qualvollen Krebstod. Jeden Tag nach der Schule rannte ich in die Klinik und machte dann in seinem Zimmer meine Hausaufgaben. Ständig gab man ihm starke Betäubungsmittel. Die letzten paar Wochen lag er im Koma. Einmal meinte ich, er hätte etwas gesagt. Ich sah auf, seine Lippen bewegten sich, aber es war nichts zu hören. Sein gelbes, wächsernes Gesicht auf dem weißen Kissen, und seine Lippen bewegten sich. Eine kleine Blase bildete sich vor seinem Mund. Hast du was gesagt, Daddy?, fragte ich. Wieder bewegten sich seine Lippen, und ich hätte schwören können, dass er etwas sagen wollte, aber es kam kein Ton heraus. Ich hielt mein Ohr näher an seine Lippen. Dann hörte ich das Wort, das er so verzweifelt zu sagen versuchte, das leise Zischen eines Wortes. Er sagte: Entsetzlich - entsetzlich! Das Ende war also entsetzlich, selbst für so gute Menschen wie meinen Vater. Der Zweck von allem Leid bestand also nur in noch mehr Leid. Bis zum Abendessen hatte ich mit Gott vollständig gebrochen. Ich hatte nie wieder eine Vision. Ich habe zehn Jahre lang niemandem etwas davon erzählt. Dir erzähle ich es jetzt, weil ich möchte, dass du weißt, mit was für einem Spinner du dich möglicherweise einlässt.«

  In dem dunklen Raum starrten sie einander an. »Arthur hatte Recht«, sagte sie, »du bist ein faszinierendes Mannsbild.«

  Sie machten den Liebeshandel perfekt. Sie gingen oft zusammen ins Kino. Rosenberg überredete sie, bei einer Vietnam-Friedensdemonstration mitzugehen. Sie lungerten in den Wohnzimmern anderer junger Akademiker herum, rauchten Gras und Hasch und lauschten Jimi Hendrix.

  Sie sahen sich fast täglich.

  Jessup kam gewöhnlich gegen Mittag vorbei, um sie von ihrem Büro in Dodge Hall abzuholen, und dann schlenderten sie über das Campus zum Chock full o' Nuts auf dem Broadway. Einmal kamen sie mitten durch den Tumult eines dieser Studentenkrawalle, von denen die Columbia University im Ap
ril 1968 erschüttert wurde, kaum dass sie die ganzen Polizisten wahrnahmen, die hinter den Studenten herjagten, und auch die Tatsache, dass die meisten Universitätsgebäude von tobenden Studenten besetzt waren, die in den Fenstern lagen und anarchistische Fahnen schwenkten, berührte sie nicht. Sie waren beide ganz auf Arbeit und Karriere konzentriert. Sie sprachen fast nur darüber, auch wenn sie in der Schlange vor dem Kino standen, bei Friedensdemonstrationen mitmarschierten oder über den hart umkämpften Campus gingen - und selbst im Bett.

  Einmal ging sie mit in die Payne-Whitney-Klinik, um zu sehen, was er und Rosenberg mit den schizophrenen Patienten machten; das war für sie eine verwirrende Erfahrung. Sie ging mit Jessup hinter ein Einwegfenster, von wo aus man den Versuchsraum überblicken konnte, eine öde Kammer mit gekacheltem Fußboden, getünchten Wänden und vergitterten Fenstern.

  Zwei nackte Birnen hingen von der Decke.

  Ein Wärter brachte eine fünfundzwanzigjährige Frau herein, die einen Kittel und die typischen Krankenhaus-Schaumgummischlappen trug. Wie sie so kichernd dahin schlurfte, schien sie das Urbild des Wahnsinnigen zu sein. Sie setzten sie auf einen Holzstuhl in der Mitte des Raums, und Hobart, der Psychiater, Rosenberg und ein Medizinstudent machten sich über sie her, um ihr Blut abzunehmen, den Blutdruck zu messen und sie an das EEG-Gerät anzuschließen. Hobart zog einen zweiten Stuhl neben sie und stellte ihr Fragen, die er aus einem großen Schnellhefter ablas. Sie reagierte auf nichts. Sie kicherte, scharrte mit den Füßen und machte mit den Händen kleine, sinnlose Bewegungen. »In ein paar Minuten«, wandte Jessup sich an Emily, »werden sie ihr 75 Milligramm Dimethyltryptamin schießen, und dann wird sie für etwa vierzig Minuten auf den Trip gehen. Ihr Verhalten wird sich dabei deutlich ändern.«

  Und so war es auch. Schon eine Minute nach der Injektion hörte das Mädchen auf zu kichern und zu scharren, schloss die Augen und saß stocksteif wie in Trance. Hobart begann wieder mit seiner Fragenlitanei, und diesmal antwortete sie, aber als man ihr kleine Aufgaben gab, etwa ein Dreieck auf eine Schiefertafel zu zeichnen, da brachte sie nur eine Seite des Dreiecks zuwege. Jessup stand plötzlich auf, huschte leise in den Versuchsraum, beugte sich über das EEG und beobachtete die sprunghafte Spur des Schreibers. Einen Moment später war er wieder zurück.

  »Sie hat beschleunigte Alpha-Rhythmen«, sagte er zu Emily, »und dazwischen immer wieder Spannungsmuster und andere rhythmische Muster, die für das limbische System spezifisch sind. Auch von einer ganzen Reihe anderer Patienten erhalten wir solche Aufzeichnungen. Das lässt zwar kaum Schlussfolgerungen zu, aber es scheint doch zumindest einen dünnen Zusammenhang zu geben zwischen diesen EEGs und denen von meditierenden Yogis oder von den Leuten, die ich im Isolationstank untersucht habe, mich selbst eingeschlossen. Angenommen, wir würden die Schizophrenie nicht mehr als eine Krankheit betrachten, sondern als einen weiteren und ganz anderen Zustand des Bewusstseins verstehen. Schizophrene haben eine ganz erstaunliche Neigung zu religiösen Wahnvorstellungen. Gleich wird sie uns erzählen, dass sie mit irgendeiner großen und gewaltigen metaphysischen Macht in Verbindung steht. Bis jetzt hat sie immer etwas in dieser Art gesagt.«

  Wie auf ein Stichwort kam jetzt plötzlich die Stimme des Mädchens über den Lautsprecher. »Ich fühle mich, als ob mein Herz von Christus angerührt wird.«

  Jessup fuhr sichtlich zusammen. »Stell dir vor«, sagte er zu Emily, »genau diese Worte habe ich gebraucht, als ich klein war und Visionen hatte.«

  Dann wandte er sich plötzlich ab und verließ den Überwachungsraum, diesmal aber, um auf den Korridor hinauszugehen. Nach kurzem Zögern folgte sie ihm. Draußen ging er gedankenversunken zwischen den gelben Wänden auf und ab. Er bemerkte sie im Türrahmen und sagte: »Das Faszinierende an den Schizophrenen ist, dass sie körperlich anders sind, anders als wir und anders als sie selbst waren, bevor sie schizophren wurden. Sie sind asymmetrischer, haben kürzere Anteroposterior-Durchmesser. Sie sind knochiger, ihr Rumpf ist größer. Die Wachstumsgeschwindigkeit von Haaren, Nägeln, Haut- und Bindegewebe ist anders. Es ist fast so, als versuchten sie ihr physisches Selbst zu verändern, um es ihrem anderen Bewusstsein anzugleichen. Daraus ergibt sich die phantastische Möglichkeit, dass sich auch andere abweichende Bewusstseinszustände in veränderten Körperstrukturen niederschlagen könnten. Ist das nicht ein haarsträubender Gedanke?«

  Sie nickte; das war es sicherlich. »Du hast einen Vogel, Eddie«, lächelte sie.

  Seit ihm die erstaunliche Ähnlichkeit seiner eigenen enzephalographischen Aufzeichnungen im Isolationstank mit denen von meditierenden Yogis und Zen-Mönchen aufgefallen war, hatte er sich für Buddhismus und Yoga interessiert. Er korrespondierte mit G. K. Mishan und B. S. Chhan, zwei jungen indischen Physiologen an der Universität Kalkutta, die BEG-Aufzeichnungen von Yogis machten. Sie wollten den Sommer in einem Lama-Kloster nördlich von Delhi verbringen, um intensive Untersuchungen anzustellen, und sie hatten Jessup gefragt, ob er mitkommen wolle. Es war ein tibetisches Kloster, das vor der chinesischen Invasion nach Indien ausgewichen war, eine einmalige Gelegenheit, den nördlichen Yoga kennenzulernen. Jessup war von dieser Aussicht gefesselt. Er hatte beschlossen hinzufahren, wenn auch nur für die Sommermonate. Im September musste er in Boston sein; er hatte einen Ruf an die Harvard Medical School erhalten.

  Er saß nackt in ihrem Zimmer, während sie nackt hinter dem Bügelbrett stand, und erzählte ihr vom Buddhismus, zumindest von dem, was er aus einem ersten Blick in die Literatur wusste. Er fand den Buddhismus aufregend; für einen gottlosen Mann, der einen Hang zu den letzten Dingen hatte, gab es nichts Vergleichbares. Angeblich ist er eine Religion, berichtete er ihr, aber er hat wenig Göttliches an sich. Es gibt keinen Gott, auferstanden oder nicht. Das Selbst ist der Träger der Unsterblichkeit, der letzten Wahrheit. Der Mensch macht und beherrscht sein Schicksal selbst. Wie der Mensch sich biologisch aus den Zellen des Meeres entwickelte, so entwickelt er sich psychisch zur höchsten Erleuchtung, in der er sich mit dem endgültigen und uranfänglichen Bewusstsein vereinigt. Man erlangt die Erleuchtung durch yogische Praktiken. Weil der Buddhismus Geist und Bewusstsein des Menschen verherrlicht, muss man den Yoga als eine Psychologie betrachten, sogar als eine reinere Psychologie als die des Westens, denn im Westen erforscht man nicht wirklich das menschliche Bewusstsein, sondern das Verhalten von Menschen. Ein Buddhist betrachtet das alltägliche Verhalten von Menschen als einen winzigen Teil ihres gesamten Bewusstseins. Die Buddhisten betrachten unser weltliches (oder samsarisches) Selbst sogar als einen Störfaktor für unser ewiges Bewusstsein. Die Übungen des Yoga zielen auf eine Beherrschung unseres weltlichen, physischen, samsarischen Selbst, damit wir darüber hinaus gelangen und uns zu höheren Stufen des Bewusstseins und des Selbst entwickeln. Für den Yogi sind daher unsere anderen Bewusstseinszustände wertvoller und weniger von Einbildungen bestimmt als unsere Rationalität, und er verbringt Jahre damit, die Techniken zu erlernen, mit denen man diese anderen Zustände erlangt. Jessups Hauptinteresse an diesen Bewusstseinszuständen bestand darin, eine Methodologie zu entwickeln, mit deren Hilfe man sie erforschen konnte, und wenn er diesen Sommer bei den Leuten in Indien mit ihrer zweitausendjährigen Erfahrung auf diesem Gebiet verbrachte, so konnte das ein guter Einstieg sein.

  All das passte gut zu Emilys eigenen Plänen; sie war nicht weniger hinter ihrer Arbeit her als Jessup. Sie hatte jetzt ihren Dr. phil. und hielt emsig nach einem Job an einer der besseren Universitäten Ausschau. Als sie erfuhr, dass Jessup im Herbst nach Boston gehen wollte, setzte sie alle Räder in Bewegung, um in Harvard unterzukommen. Dangerfield, ihr Mentor, half ihr dabei, und es sah so aus, als würde sich etwas ergeben. In der Zwischenzeit, so meinte Dangerfield, sollte sie ein wenig in Nairobi arbeiten, wo Louis Lakey Direktor des Nationalmuseums von Kenia war. Die beschränkte Verfügbarkeit von fossilem Material sei für sie äußerst frustrierend, erzählte sie Jessup, als sie ineinander verschlungen auf ihrem zerwühlten Bett lagen. Sie hatte sich damals ganz auf die vergleichende Anatomie verlegt, und ihre Doktorarbeit hatte den Vergleich der Schädelvolumen von Hominiden und Primaten zum Thema gehabt, aber sie hatte Dangerfield schon gesag
t, dass dieser ganze Körper/Gehirn-Kram ihr immer unsinniger vorkam. Und Dangerfield hatte ihr zugestimmt. Er wandte sich selbst immer mehr der Anthropopsychologie zu und arbeitete an der Hypothese, dass die kortikalen Veränderungen, die das Entstehen der Menschheit anzeigen, wahrscheinlich mehr mit der Reorganisation der Neuralsubstanz zu tun haben als mit dem Anwachsen des Schädelvolumens. Du lieber Himmel, schließlich hatten doch Australopithecinen, die mit 450 cm2 kein größeres Schädelvolumen besaßen als Gorillas, Werkzeuge hergestellt.