ALTERED STATES Page 5
Und Jessup, der schon mehr Wein getrunken hatte, als er eigentlich vertragen konnte, erläuterte Sylvia Rosenberg und jedem anderen, dessen Aufmerksamkeit er an sich reißen konnte, lautstark den Begriff des Selbst im Buddhismus.
»Tatsache ist«, verkündete er gerade, »dass meine Begegnung mit dem Yoga ein bisschen enttäuschend war. Man kann es drehen und wenden, wie man will, er ist und bleibt eine situationsabhängige Technik, die im Dienst eines apriorischen Glaubenssystems steht, und unterscheidet sich kaum von anderen tranceerzeugenden Techniken. Die Atemübungen sind unheimlich wirkungsvoll. Die Atmung löst sich sozusagen als etwas Selbständiges heraus, sie wird ein eigenständiger Bewusstseinszustand, so dass der atmende Körper die Verkörperung des Atems wird. Aber es ist eben eine auf Verzicht begründete Technik, mit der ein vorherbestimmter tranceartiger Zustand erreicht werden soll; die Zen-Leute nennen dies einen Ist-Zustand, das ist ein ganz reiner Narzissmus, Freuds ozeanisches Gefühl. Was der Yoga anderen Lehren voraushat, ist, dass sein Glaubenssystem nicht eigentlich religiös ist. Der Buddhismus kennt keinen Gott per se. Unsterblichkeit und letzte Wahrheit liegen im Selbst, im individuellen Geist - «
Emily unterbrach ihre eigene Unterhaltung: »Aber das ist doch genauso metaphysisch«, rief sie vom anderen Ende des Tisches herüber. »Du hast einfach bloß Gott durch das ursprüngliche Selbst ersetzt.«
»Schon«, rief Jessup zurück, »aber wir wissen jetzt, wo es sitzt, oder? Das Selbst ist in unseren Köpfen, irgendwo in den hundertsoundsoviel Milliarden Neuronen und Gliazellen unseres Gehirns! Es ist eine Form menschlicher Energie! Wenn es ein Ursprungsbewusstsein gibt oder ein Jung'sches Bewusstsein oder wie immer ihr das nennen wollt, dann war dazu die Aufnahme einer ungeheuren Menge sensorischer Daten notwendig, und das alles ist in der quantifizierbaren Form von Gedächtnisinhalten irgendwo in unseren Gehirnen gespeichert! Gedächtnis ist Energie! Es verschwindet nicht! Es ist immer noch da drinnen.«
Er stand nun, leicht schwankend, vier Gläser Wein waren eigentlich zu viel für ihn. Mit einem Ruck wandte er sich Rosenberg zu. »Und ich sage dir, es gibt einen physiologischen Weg zu unseren früheren Bewusstseinsformen! Und ich sage, dass es irgendwo in dem gottverdammten limbischen System steckt! Wenn ich dir jetzt ein paar Mikroelektroden in den Schädel pflanzen könnte, würden wir das Langzeitgedächtnis reaktivieren und selbst vorgeburtliche Erinnerungen wachrufen, dafür verwette ich mein letztes Hemd, und wenn das kein früheres Bewusstsein ist, dann fresse ich einen Besen!«
»Jessup, du bist eine Bombe!«, dröhnte Parrish ausgelassen.
Jessup, der sich ein paar Schritte vom Tisch entfernt hatte, ging wieder an seinen Platz, setzte sich hin und schenkte sich Wein nach. Eines dieser plötzlichen, unerklärlichen Löcher in der Unterhaltung lag über der Runde, und aus dieser Stille klang jetzt klar und deutlich Jessups leise, nachdenkliche Stimme: »Was ist daran so bombig, Mason?«, fragte er ruhig. »Ich bin ein Mann, der sein wahres Selbst sucht. Kann man noch archetypisch-amerikanischer sein? Jeder sucht nach seinem wahren Selbst. Wir suchen alle Erfüllung, möchten uns selbst verstehen, uns selbst begegnen, Halt an uns selbst finden, unserer eigenen Wirklichkeit ins Gesicht sehen, uns erforschen, uns entfalten. Seit wir Gott aufgegeben haben, bleibt uns nur noch unser Selbst, um dieses sinnleere Grauen zu erklären, das unser Leben ist. Wir gehen auf den Trip oder meditieren jeden Tag für vierzig Minuten oder hocken in irgendeiner Selbsterfahrungsgruppe auf dem Fußboden herum oder kreuzen die Arme in nachgemachten Sufi-Tänzen oder streifen die Täuschungen des zivilisierten Lebens ab und springen nackt in ein Schwimmbecken, in dem schon andere nackte Selbstsucher sind. Nun, ich denke, dieses wahre Selbst, dieses ursprüngliche Selbst, dieses erste Selbst ist ein wirkliches, messbares, quantifizierbares Ding, tastbar und körperlich. Und ich werde das
Miststück finden.«
Zapatecus, Mexiko
Juni 1975
Die Hinchi-Indianer, ein prä-aztekischer Stamm, lebten eigentlich gar nicht bei San Luis Potosī, sondern in der Provinz Zapatecus im Gebiet der unwirtlichen Barrancas Zentralmexikos. Sie waren Nachfahren der Chichimec-Tolteken, aber ihr brujo erwies sich als ein Tarahumara-Indianer, der in den Stamm eingeheiratet hatte. Das war sehr nützlich, denn er war der einzige, der ein wenig Spanisch sprach. Echeverria machte den Dolmetscher. Sie kamen bei den Hinchis an, als man sich gerade auf den langen Marsch zu den heiligen Pilzfeldern machen wollte, eine Expedition, die drei Wochen dauert; der ganze Stamm, etwa achthundert Leute in Lendentüchern und Baumwollhemden, zieht durch die farbenprächtigen Täler und lotrechten Schluchten, und jede zweite Nacht macht man halt, um sich mit Maisbier zu betrinken. Eine fesselnde Landschaft war das, blaue Agaven und gelber Chaparral, und die unerreichbar fernen Felsklippen vom orangenen Licht der erbarmungslosen Sommersonne übergossen.
Der brujo war eine gutherzige Seele von Ende sechzig; sein früherer Kontakt mit der weißen Zivilisation war noch an einem ausgebeulten einreihigen Jackett zu erkennen, aus dem sein Lendentuch heraushing wie die Enden eines Gebetsschals. Die Hinchis, so erklärte er Echeverria und Jessup, bewahrten nur noch wenig von ihrer ursprünglichen animistischen Religion, eigentlich nur noch ein eher beiläufiges Bekenntnis zum gefiederten Schlangengott Quetzalcoatl. Sie hatten ihr eigenes Glaubenssystem entwickelt, das sich auf die Kräfte des Geistes und des Lebendigen gründete. Jessup fand das eigenartig orientalisch. Die Mitglieder des Stammes füllten jedenfalls eine Anzahl grober Leinensäcke mit Pilzen, Zweigen von kleinen, schlanken Bäumen, Blättern von Blumen und anderen Pflanzen, Samenkapseln und weißen, knolligen Wurzeln; wie Baumwollpflücker bewegten sie sich über das heilige Plateau, und manchmal gingen sie auf die Knie, um mit den Händen Wurzeln auszugraben. Am Rande des Geschehens stand Jessup mit seinem Tonbandgerät, und Echeverria, der Botaniker, erklärte ihm, die Pflanzen seien Sinicuiche oder Hemasalicifolia und bei den Pilzen handele es sich ziemlich sicher um Amantia muscaria, »eine sehr starke Rauschdroge und ein bisschen gefährlich. Er enthält Belladonna-Alkaloide, Atropin, Skopolamin. Manche Indianerstämme schätzen besonders die Sinicuiche-Pflanze; sie ist im Norden bis nach Chihuahua verbreitet. Sie dürfte für dich besonders interessant sein. Die Indianer sagen, sie ruft alte Erinnerungen wach, sogar sehr weit zurückliegende. Die Hinchis nennen sie Erste Blume.«
»Erste im Sinn von ursprünglich?«
»Ja, in der Bedeutung: das Allerälteste.«
»Das würde ich gern mal probieren«, sagte Jessup.
»Ob sie mich wohl an ihrem Rauchritual teilnehmen lassen?«
»Sie machen einen recht umgänglichen Eindruck«, meinte Echeverria.
Am zwölften Juli erreichten sie alle wieder das heimatliche Tal.
Der größte Teil des Stammes veranstaltete sofort ein tesgüinada, ein zwei Tage dauerndes Besäufnis mit Maisbier, während einige auserwählte Frauen die verschiedenen Wurzeln, Blüten und Blätter mehr oder weniger fein zu zerstoßen begannen. Die Pulver und die zerriebenen Pilze wurden getrennt in luftdicht verschließbaren Kürbissen verstaut, wo sie ein Jahr lang bleiben sollten, um zu vermodern. Dann wurden die Kürbisse vom letzten Jahr gebracht, und jetzt begannen die Vorbereitungen für das Rauchritual. Nur fünf Männer, los escogidos, nahmen daran teil, einer von ihnen war natürlich der brujo. Die Zeremonie fand vor dem Haus des brujo statt, einer baufälligen Bretterbude mit einem windschiefen Vordach, das auf zwei brüchigen Pfosten ruhte. Sie entfachten ein Feuer und ließen sich davor nieder. Die Feuerstelle wurde von drei großen Steinen gebildet. Der brujo kam mit einem Leinwandbeutel aus seiner Hütte und packte bedächtig seinen Inhalt aus. Zuerst kam ein etwa dreißig Zentimeter langes Jagdmesser zum Vorschein, das in der Nachmittagssonne bläulich schimmerte, dann ein Tabaksbeutel aus weichem, braunem Leder, dann ein vom Alter löchriges und speckiges braunes Lederfutteral, aus der er die Ritual pfeife herauszog; sie hatte ein etwa fünfundzwanzig Zentimeter langes, dunkelrötliches Mundstück und einen geschwärzten Kopf. Er verteilte diese Gegenstände sorgfältig auf einer Decke, verbeugte sich dabei in alle vier Himmelsrichtungen und stimmte einen leisen Singsang an. Dann griff er noch einmal in seinen Beutel un
d holte ein Bündel weißer Wurzeln hervor; eine löste er heraus und spaltete sie mit dem Messer zu einem Y. Er unterbrach sein Summen und flüsterte Echeverria etwas zu, der sich zu Jessup herüberlehnte und sagte: »Er will wissen, ob du immer noch mitmachen willst.«
»Na klar«, sagte Jessup.
Der alte brujo verfiel wieder in seinen leisen Singsang. Eine der Frauen brachte einen großen Topf und stellte ihn auf die Steine der Feuerstelle. Jessup beugte sich vor, um zu sehen, was in dem Topf war. Er sah, dass er zu einem Viertel mit einer schlammigen gelben Substanz gefüllt war. Der brujo erklärte, es seien gekochte Pilzhüte, los honguitos, die nun schon seit der Rückkehr von den Heiligen Feldern, also seit zwei Tagen, auf dem Feuer stünden.
Wieder nahm er seinen Singsang auf, und die ganze Zeit war er damit beschäftigt, die gegabelten Enden der Wurzel mit etwas zusammenzubinden, was wie die Ranke eines Klettergewächses aussah. Auf Jessups Bitte fragte Echeverria den alten Mann: »Was für Erfahrungen erwarten meinen Freund?«
Ohne seine Tätigkeit zu unterbrechen, sagte der alte Mann: »Seine Seele wird zu seiner Ersten Seele zurückkehren.«
Echeverria übersetzte die Antwort. Jessup, der den sich drehenden Tonbandspulen zugeschaut hatte, blickte plötzlich auf. »Hat er genau diese Worte gebraucht?«
»Ja.«
»Das ist praktisch eine buddhistische Aussage«, murmelte Jessup und legte eine neue Kassette ein. Als das Gerät wieder lief, bat er Echeverria, den alten Mann zu fragen: »Wie sieht die Erste Seele aus?«
Echeverria übersetzte. Der brujo antwortete.
Echeverria übersetzte wieder. »Sie ist ungeborener Stoff.«
Jessup starrte den brujo an; der schien jetzt mit seiner Arbeit fertig zu sein und
wandte sich Jessup zu. Die Sonne war gerade hinter den fernen Gipfeln verschwunden, und das kleine Tal lag plötzlich in tiefem Schatten. Jessup konnte die Züge in dem kaum zwei Meter von ihm entfernten Gesicht des alten Mannes nicht mehr ausmachen, aber seine Augen sah er noch; sie schimmerten unirdisch wie die Augen einer Wildkatze. Jetzt sprach der brujo ihn an, und er redete ungewöhnlich lange, sechs spanische Sätze, wobei er nach jedem Satz wartete, bis Echeverria übersetzt hatte.
»Dir wird schlecht werden«, sagte er. »Dann wirst du in die Leere schießen. Du wirst einen Punkt sehen. Der Punkt wird zu einem Streifen. Das ist der Riss im Nichts. Aus diesem Nichts wird deine ungeborene Seele kommen.«
Jessup nickte nur. Es war fast zu schön, um wahr zu sein. Diese Worte hätten auch von einem tibetanischen Yogi sein können.
Der alte brujo murmelte wieder etwas auf Spanisch, und Echeverria übersetzte: »Er will, dass du die Wurzel hältst. Streck deine Hand aus, Innenfläche nach oben.«
Jessup rückte etwas näher und streckte seine Hand vor. Der brujo legte die Wurzel sorgsam in seine Hand, und dann bog er ihm plötzlich Mittel- und Ringfinger auseinander und brachte ihm mit dem Jagdmesser einen deftigen Schnitt bei. Jessup hatte Castaneda gelesen und hätte wohl auf so etwas gefaßt sein müssen, aber er war es nicht, und sein Schrei hallte in die Stille des Zwielichts, als er das Blut rinnen fühlte. Er war völlig überrumpelt und so versteinert, dass er nicht einmal die Hand zurückzog oder schloss. Der brujo packte ihn am Handgelenk und zog seine Hand über den Topf. Er verdrehte ihm den Arm, so dass die schneeweiße Wurzel in den Topf fiel, und hielt die Hand fest, bis sich einige Blutstropfen in den brodelnden Schlamm gemischt hatten. Als der alte Mann ihn los ließ, warfen ihn Schock und plötzliche Erschöpfung zu Boden; ihm war übel vor Wut.
»Alles in Ordnung?«, fragte Echeverria.
Jessup nickte.
Der brujo und die anderen Männer hoben jetzt den Topf von der Feuerstelle und stellten ihn auf die Ritualdecke. Jessup lag noch auf dem Rücken, und in der jäh hereingebrochenen Nacht erschienen ihm die Männer wie ungeheure Schatten. Es versuchte, seine ramponierte Hand in der Dunkelheit zu untersuchen. Das Bluten schien aufgehört zu haben.
»Großer Gott«, murmelte er.
Er schrak zusammen, als sich plötzlich eine Gestalt über ihn beugte. Es war der brujo, der ihm ausdruckslos die Pfeife entgegenhielt. Jessup setzte sich auf, nahm die Pfeife an und begann zu rauchen.
Augenblicklich wurde ihm übel, und er begann zu erbrechen. Keiner der anderen Männer beachtete es. Der brujo fragte Echeverria, ob das Tonbandgerät eingeschaltet sei. Als er hörte, dass es lief, erklärte er auf Spanisch, dass die Mischung, die Jessup rauchte, drei Teile von dem inzwischen getrockneten Pilzfladen, einen Teil Sinicuiche-Pulver und einen Teil von einer Pflanze mit einem toltekischen Namen enthielt, den Echeverria erfolglos zu wiederholen versuchte.
All das verstand Jessup deutlich, während er auf einen Ellenbogen gestützt dort saß und würgte. Dann war die Übelkeit auf einmal verschwunden; das Würgen war leicht und schmerzlos gewesen. Im nächsten Augenblick fühlte er sich nach oben gezogen, und übergangslos begann die Halluzination. Die kleine Lichtung, auf der er gesessen hatte, verschwand unter ihm, oder besser gesagt, sie schrumpfte zu einem winzigen, meilenweit unter ihm liegenden Punkt zusammen, der sich langsam in die Länge zog, bis er ein Schlitz wurde, ein gezackter Schlitz, ein Riss. Das musste wohl der Riss im Nichts sein. In langsamen, fließenden Wellen begann dieser Riss sich jetzt mit Hüllen aus Licht zu umgeben, so blendend hell, dass Jessup sich in der Gegenwart einer Urerleuchtung glaubte. Dieses ausströmende Licht breitete sich Welle um Welle unaufhaltsam aus und floss schließlich auch über Jessup hinweg, der jetzt selbst ein strahlendweißer Fleck war. Blendende Weiße erstreckte sich von Horizont zu Horizont in einem unaufhörlich sich ausdehnenden horizontlosen Raum, einer Unendlichkeit. Eine Säule von Lichthöfen, geschichtet wie der Stamm eines Baums, erhob sich aus der Weiße, formte sich zu einer goldenen Helix, die sich um ihre eigene Längsachse einrollte und von quirlenden, wurmartigen, gegabelten Flecken pulsierenden Lichts erfüllt waren; es sah aus wie das mikroskopische Bild heiliger Chromosomen. Dann hörte er einen hohen Jubelschrei, und das war sonderbar, denn solche Halluzinationen sind selten mit akustischen Eindrücken verbunden.
Plötzlich kam aus dem ursprünglichen Lichtpunkt, der jetzt völlig schwarz war, eine bräunliche Gestalt hervor, wenn man es überhaupt eine Gestalt nennen konnte; es war eher eine geschmolzene Masse, die Arme, Beine und einen Kopf zu haben schien, aber von so fließender Form, dass die Gliedmaßen und andere charakteristische Einzelheiten sich immer wieder auflösten und neu formten, hier und da blasig aufquollen, schwellend und schrumpfend. Die Masse wurde größer und größer, sie schien aus irisierender Materie zu bestehen, Funken stoben, kleine Flammen flackerten auf ihrer Oberfläche, die sich bei näherem Zusehen als explodierende Nervensubstanz erwiesen.
Immer weiter wuchs dieses Ding, wurde immer tiefer rot und schließlich golden. Schlagartig erinnerte sich Jessup, dass Gold im yogischen Zyklus die Farbe des archaischen Zeitalters ist und Rot die Farbe des magischen Zeitalters. Er betrachtete dieses unglaubliche Bild ohne Furcht; allenfalls fühlte er Ehrfurcht und Bewunderung, während es sich ihm näherte. Plötzlich huschte eine große, leuchtendgelbe Eidechse über die weiße Bildfläche (Gelb, die Farbe des mythischen Zeitalters), versank in der flammenden, geschmolzenen Masse und wurde unter grauenerregendem Schreien zerrissen und verschlungen. Im normalen Leben hätte Jessup diese Szene abstoßend gefunden, aber jetzt betrachtete er sie mit einem sanften Lächeln. Nach dieser kurzen Unterbrechung kam die bräunliche Masse weiter auf Jessup zu, umschloss ihn weich und schmerzlos. Er fühlte unermessliche Kraft in sich einströmen. In diese Substanz versunken, schnellte er sich in die Unendlichkeit.
Es war der erregendste Augenblick seines Lebens.
Die Halluzinationen dauerten etwa eine Stunde. Die Rückkehr in den Normalzustand vollzog sich abrupt, und ihm wurde wieder etwas übel dabei. Überrascht stellte er fest, dass er in einem kleinen Gebüsch stand, seine Hände waren wie von Dornen zerkratzt. Die anderen Männer saßen immer noch ungefähr dreißig Meter entfernt um das Feuer, zogen an der Pfeife oder kauten Peyote-Buttons.
Es war inzwischen Nacht geworden; als er kurz darauf beim Feuer auf seine Armbanduhr sch
aute, war es 20.19 Uhr. Er setzte sich wieder in die Runde neben seinen Kassettenrekorder und starrte einfach nur in die Flammen. Einige Minuten später war er fest eingeschlafen.
Am nächsten Tag fragte ihn der brujo, ob er die vorausgesagten Erlebnisse gehabt habe. Jessup nickte und fügte hinzu, dass er noch etwas erlebt habe, was nicht angekündigt gewesen sei. Der Schamane nickte und sagte: »Du hast eine Eidechse gegessen.«
Jessup war ebenso erstaunt wie erfreut. »Woher weißt du denn das?«, fragte er.
Echeverria übersetzte.
Der brujo sah ihn erstaunt an. »Ich habe gesehen, wie du die Eidechse gegessen hast«, sagte er. »Wir alle haben es gesehen.«